Gedanken zur Kunst - Eine Provokation zum Nachdenken
„Ihre Porträts sind so toll, sind so detailtreu, wirken so lebendig, und sind besser als jedes Foto. Für mich sind Sie ein Künstler!“
Das Kompliment ehrt mich natürlich ungemein… Aber soll ich mich deshalb als Künstler fühlen? Nein! Ich bin vielleicht nicht der schlechteste Abmaler, der sein Handwerk inzwischen doch einigermaßen versteht - ich trainiere ja auch seit fast 40 Jahren- aber Künstler…??? … will ich vielleicht auch gar nicht sein, vor allem nicht hier und heute! Das hat seine Gründe…
Mein Verhältnis zur heutigen Kunstszene ist ein überaus zwiespältiges und überaus kritisches. Keinesfalls möchte ich zu den selbsternannten „Künstlern“ gehören, die mit ihrer Farbfleckenkrankheit Leinwände infizieren, deren abstrakte „Meisterwerke“ nur eines für jeden verständlich und gut lesbar offenbaren, den Kaufpreis. Letzterer ist besonders wichtig, sagt der doch viel über den „Wert“ des Werkes. Und zur Freude dieser „Künstler“ gibt es –leider- auch Käufer, die dann eigentlich lieber das „Kunstwerk“ mit dem Motiv zur Wand hin aufhängen würden…Zum einen, um Besuchern einen wagen Blick auf den Kaufpreis zu gewähren, um damit ein Staunen zu provozieren, was für ein wertvolles Bild man als echter Kunstkenner doch erworben hat. Zum anderen vielleicht auch, um nicht in den Verruf eines grottenschlechten Geschmacks zu geraten bzw. die Wohnung ohne psychische Schäden bewohnbar zu belassen.
Ich hatte schon häufiger das Vergnügen, mich mit „Künstlern“ kommunikativ prügeln zu dürfen. Zum Schluss eines jeden Duells gab weder Sieger noch Besiegte, weder Bekehrte oder an der eigenen Auffassung wenigstens Zweifelnde. Ich meine, dass das, was heute – und immer häufiger- als die große Kunst geboten, angeboten und gepriesen wird, passt bestens zum gegenwärtigen Verfall grundlegender Werte, ist für die wahren Freunde der Kunst unverständlich, dient höchstens als Beispiel für Dekadenz in Reinkultur…
Selbsternannte „Künstler“, die Größen wie C.D. Friedrich, A.L. Richter, Spitzweg u.v.a.m. als Nur-Gute-Ab- oder Nachmaler bezeichnen, verweigere ich meine Aufmerksamkeit. Leider genießen gerade solche selbsternannten „Künstler“ gesellschaftliche Anerkennung, werden hofiert und jedes noch so irrsinniges Statement derselben in Goldrahmen gefasst. Natürlich will ich nicht alles, was gegenwärtig so an Kunst angeboten wird, in den Müll treten. Es gibt auch hier und heute eine Reihe von löblichen Ausnahmen, die es verstehen, Geschmack und Meisterschaft in ihren Bildern zu beweisen.
Doch was ist überhaupt „Kunst“?
In Wörterbüchern ist zu lesen: Kunst ist ein zur Meisterschaft entwickeltes Können. Oder: Kunst ist die schöpferische Tätigkeit der Natur im Menschen. Sie entspringt einem Grundtrieb des Menschen und ist seit Urzeiten ein bedeutendes Ausdrucksmittel.
Kunst im ideellen Sinne dient an erster Stelle dem Künstler selber. Er folgt in seinem Schaffen einem - von Freud und auch Leid beeinflussten – inneren, auch süchtig machenden Trieb. Der Künstler erhält allein schon durch sein künstlerisches Tun mehr oder weniger Befriedigung, die sich fortsetzt und verstärkt durch Anerkennung seiner Leistung durch andere Menschen durch deren Beachtung, Bewunderung und Bezahlung. Letzteres war und ist für wahre Künstler lebens- und überlebensnotwendig.
Eine gesellschaftlich bedeutende – wenn auch recht zweifelhafte-Erscheinung ist hier erwähnenswert: Ein Künstler, der erst einmal - von wem und warum auch immer - in der Öffentlichkeit genügend bekannt gemacht wurde, der kann tun und schaffen was er will, es wird von vielen bewundert und reichlich bezahlt werden.
Picasso soll am 2.Mai 1952 in Madrid eine Rede gehalten haben, in der er offenbarte: "Seit die Kunst nicht mehr die Nahrung der Besten ist, kann der Künstler seine Talente für alle Wandlungen und Launen seiner Phantasie verwenden. Alle Wege stehen einem intellektuellen Scharlatanismus offen. Das Volk findet in der Kunst weder Trost noch Erhebung. Aber die Raffinierten, die Reichen, die Nichtstuer und die Effekthascher suchen in ihr Neuheit, Seltsamkeit, Originalität, Verstiegenheit und Anstößigkeit. Seit dem Kubismus, ja schon früher, habe ich selbst alle diese Kritiker mit zahllosen Scherzen zufriedengestellt, die mir einfielen und die sie um so mehr bewunderten, je weniger sie ihnen verständlich waren. Durch diese Spielereien, diese Rätsel und Arabesken habe ich mich schnell berühmt gemacht. Und der Ruhm bedeutet für den Künstler: Verkauf, Vermögen, Reichtum. Ich bin heute nicht nur berühmt, sondern auch reich. Wenn ich aber allein mit mir bin, kann ich mich nicht als Künstler betrachten im großen Sinne des Wortes. Große Maler waren Giotto, Tizian, Rembrandt und Goya. Ich bin nur ein Spaßmacher, der seine Zeit verstanden hat und alles, was er konnte, herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen." (Quelle: Abhandlung von R. Kuhr)
Der Inhalt dieser Aussage könnte auch vielen anderen- besonders den heutigen- „Künstlern“ zugeschrieben werden, er schmälert weder das Ansehen des „Künstlers“, noch den Wert der Werke für Liebhaber oder Händler. Dem Unsicheren aber sollte er Denkanstöße geben… und so zu seiner eigenen Meinungsbildung beitragen. Kunst ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.
Kunst ist für „Otto-Normalverbraucher“ schön, wenn das Dargestellte erkennbar ist, wenn sie besonders auch das Gefühl anspricht; mit abstrakter Kunst werden sie sich kaum anfreunden. Modernisten werden diese gefühlsbetonte Kunst eher als Kitsch empfinden. Ihnen gefällt Kunst, die überwiegend den Verstand anspricht, sie brauchen keine konkreten Formen. Es gibt also scheinbar keine objektiven Maßstäbe für den Wert der Kunst. Für Menschen, deren Gefühl und Verstand gleichermaßen ausgebildet sind, wird eine Kunst als schön empfunden werden, die Gefühl und Verstand in gleicher Weise anspricht, vorausgesetzt, man erkennt, man „versteht“ zumindest das Dargestellte.
Kunst ist, was man sich nicht erklären kann, sagen Spötter. Kunst kommt von Können, sagen viele. Können hängt zusammen mit Leistung, diese wieder mit Talent und/oder Übung. Künden tut die Kunst von dem Talent, der Bildung und inneren Verfassung des Künstlers und/oder von seiner Absicht. Weil Kunst so beliebig interpretierbar ist, finden sich immer wieder Leute, die ihren Nutzen aus dieser geheimnisvollen Vieldeutigkeit ziehen, indem sie ihre persönlichen Interpretationen den - größtenteils in ihrer eigenen Beurteilung unsicheren - Menschen anbieten. Erinnert dies nicht irgendwie an die Aussage des Märchens 'Des Kaisers neue Kleider'…? Insofern bleibt letztlich hier wie dort das eigene Urteil des Einzelnen für ihn selbst entscheidend.
Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, sagte Kant. In Bezug auf die Kunst wäre dem hinzuzufügen: Stehe zu deinem Gefühl, auch wenn es nicht mit dem der Allgemeinheit übereinstimmt. Kunst ist ein frei gestaltbares, bewertbares und vielseitig verwendbares Medium, zur individuellen und gesellschaftlichen Unterhaltung und Selbstdarstellung sowie zur ideellen und materiellen Bereicherung. So soll es auch bleiben.
Viele – dazu gehöre auch ich - meinen, „Kunst“ – vor allem und besonders die abstrakte nicht zu verstehen. Zweifeln Sie bloß nicht an Ihrer Intelligenz, an Ihrem Kunstverständnis! Zweifeln Sie höchstens am Geschmack des „Meisters“! Kunst ist für den Menschen da. Und wenn dieselben berechtigterweise damit nichts anzufangen wissen, dann sollte sich wohl der Verursacher Gedanken zum Warum machen und nicht die Betrachter seiner Werke.
Wenden Sie sich der Kunst zu, die Sie als solche erkennen, schätzen und genießen können. Ein kleiner Tipp für Kunstgenuss pur: Caspar David Friedrich! Unvoreingenommen kann man seine Bilder bewundern. Und je länger man jedes seiner Werke genießt, desto deutlicher wird die Bildidee, die Symbolik, die Aussage des Künstlers…
Abschließen möchte ich meine Gedanken zu Kunst mit einem Zitat von Paul Klee, welchem ich voll und ganz zustimme:
„ Je schreckensvoller diese Welt, desto abstrakter die Kunst,
während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt.“